Neue Partikelschäume, neue Möglichkeiten
Lange war die Zahl verfügbarer Partikelschäume überschaubar. Es begann mit EPS (Expandiertes Polystyrol), 1950 zum Patent angemeldet und als „Styropor“ bekannt. Ende der achtziger Jahre folgten EPP (Expandiertes Polypropylen) und EPE (Expandiertes Polyethylen), hauptsächlich als Verpackungsmaterial verwendet. Seit 2010 ist die Entwicklung neuer Materialien regelrecht explodiert – man denke etwa an ETPU, das dank seiner Eigenschaften in puncto Elastizität und Federung im Laufsport für Furore sorgt.
In jüngster Vergangenheit kamen zwei weitere Partikelschäume mit interessanten Eigenschaften auf den Markt. Beide haben das Zeug, die Branche zu revolutionieren – die Rede ist von ecovio® (BASF) und ArmaShape® (Armacell). ecovio® ist biologisch abbaubar und besteht aus Bio-Kunststoff und der aus Mais gewonnenen Polymilchsäure (PLA). Dank spezieller chemischer Struktur ist die biobasierte Verbindung von Mikroorganismen und deren Enzymen in wenigen Wochen abbaubar. Als fertiges Kunststoff-Compound lässt sich ecovio® auf Standardmaschinen zur Herstellung von Partikelschaumformteilen (EPS und EPP) verarbeiten; interessant ist es vor allem als Verpackungsmaterial und durch seinen variablen Anteil an nachwachsenden Rohstoffen.
Der Anfang 2018 vorgestellte ArmaShape® ist ein Partikelschaum aus 100% recycelten PET-Flaschen (PET = Polyethylenterephthalat). Das expandierte PET stammt von Armacell Benelux S.A. aus dem belgischen Thimister-Clermont, mit 3.000 Beschäftigten und 603 Mio. Euro Umsatz in 2017 das Kompetenzzentrum für PET-Schaumtechnologie. Die jüngste Schöpfung ArmaShape® eröffnet vielen Branchen, die immer stärker auf leichte, stabile Kunststoffteile setzen, neue Möglichkeiten. Vor allem die Automotive-Branche wird von großvolumigen Anwendungen bei Karosserien oder Fahrwerken profitieren. Als lose Perlen auf PET-Basis zur Herstellung gebrauchsfertiger 3D-Schaumkerne für Sandwich-Verbundstrukturen bietet ArmaShape® bessere mechanische und thermische Eigenschaften als EPP oder EPS, ist wärmebeständig bis 200 °C, durch Flammschutz-Additive nicht brennbar und fast in jeder Form herstellbar. „Neue Materialien wie ecovio® und ArmaShape® benötigen oft neue Verarbeitungsmethoden – expandierbares PET benötigt zur Verschweißung eine Temperatur von 250 °C. Für den Standard-Dampfprozess bedeutet das Drücke von 25 bis 30 bar. Das ist maschinen- wie werkzeugtechnisch schwer realisierbar. Dem Kurtz Team ist es gelungen, eine neue Verschweißungstechnologie auf Basis elektromagnetischer Wellen zu entwickeln. Die Erwärmung von Partikelschaum entsteht durch Anregung mit Hochfrequenz (27,12 MHz) und Hochspannung bis 10.000 V“, sagt Kurtz Technologie-Leiter Victor Romanov, der die innovative Verschweißungsmethode schon in Bayreuth und Würzburg vorstellte (s. nebenstehenden Beitrag). Das Interesse war riesig und führte zu konkreten Projektanfragen – deutliches Zeichen dafür, dass die Branche das mit den neuen Partikelschäumen verbundene Potenzial erkannt hat!
Große Zukunft für Partikelschaumstoffe
Neue Entwicklungen bei Materialien und Verarbeitungsprozessen eröffnen der Partikelschaumstoffbranche neue Anwendungsmöglichkeiten im Leichtbau. Wie groß das Interesse daran ist, belegt der Zuspruch zu zwei Terminen im Frühjahr 2018: den NMB TechDays in Bayreuth und der SKZ-Fachtagung „Polymerschäume“ in Würzburg. In Bayreuth und Würzburg informierten sich jeweils mehr als 100 Experten über aktuelle Trends und Entwicklungen in der Partikelschaumtechnologie. Vorgestellt wurden neue Entwicklungen hinsichtlich Werkzeugtechnik, Vorschäumen und Formschäumen, welche die Einsatzmöglichkeiten unterschiedlicher Partikelschaumstoffe deutlich erweitern. Herausforderung: Neue Partikelschäume aus technischen Kunststoffen wie PBT (kurz für Polybutylenterephthalat) sind bei Temperaturen bis 220 °C zu verarbeiten (EPET ruft sogar 250 °C auf), normale Partikelschäume benötigen nur 150 °C. Dazu wurde ein innovatives Hochdruckwerkzeug präsentiert, das einen Dampfdruck bis zu 25 bar erreicht – was etwa 220 °C entspricht.
Weiterer Schwerpunkt war die Verarbeitung feuchteempfindlicher Werkstoffe, die sich bisher mit konventionellen, wasserdampfbasierten Prozessen nur schwer verarbeiten ließen. Vor allem biobasierte Partikelschäume eröffnen hier als nachhaltige Werkstoffe komplett neue Anwendungsfelder. Welche Lösungen hier beim Formschäumen durch dampflose Verarbeitungstechnologie möglich sind, zeigte Kurtz Technologie-Leiter Victor Romanov in seinem Vortrag „Alternative Verschweißungsmethoden mit elektromagnetischen Wellen“ auf. Ohne Zweifel geht es hier um Schlüsseltechnologien mit riesigem Potenzial für neue Schaumstoff-Anwendungen!